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Kälte & Nässe


Heute habe ich bei angekündigtem Dauerregen und 3° Höchsttemperatur meinen Rucksack mit Isomatte und Schlafsack bestückt, habe mir die entsetzt dreinblickenden Hunde geschnappt und bin mit der S-Bahn in den Wald gefahren. Mein Ziel war trotz des grauen, kalten und nassen Wetters einen entspannten Tag im Wald zu verbringen um meine Komfortzone wieder etwas zu erweitern. Im Wald angekommen regnete es, mir war sofort kalt, die Hände fühlten sich nach wenigen Minuten taub und bewegungsunfähig an, mein Mentalzustand schwankte, das innere Team diskutierte... "was macht die hier? warum heute? warum im Regen??" Auch die Hunde wendeten wiederkehrend den Kopf als wollten sie fragen "ernsthaft?"

Schon länger bin ich meiner abhanden gekommenen Körpertemperaturregelung auf der Spur. Erst seit wenigen Jahren scheine ich weniger kältetolerant geworden zu sein. Ich erinnere mich nicht, dass ich früher besonders fröstelig war. Nun gehöre ich auch nicht zu den Untergewichtigen, Unmuskulösesten, Rohköstlern und sonstigen Gruppen die aufgrund ihres Lebenswandels zum frieren neigen. Auch habe ich mir nun das 4te Jahr in Folge eine Regentonne mit kaltem Wasser in den Garten gestellt um meine Unterkühlungsschwelle sukzessive zu verschieben. Ohne nennenswerten Erfolg. In den letzten Jahren hatte ich 3 Fälle von tatsächlicher Hypothermie. Das erste mal mit meinem kleinen Sohn auf einem Ausflug an der Elbe. Es fing stark zu regnen an und was ich erst witzig fand, kippte kurz vor der Fähre...ich kam aus dem Zittern nicht mehr heraus und bekam Schwindel, Sprach,- und kognitive Probleme. Diese Erfahrung fand ich etwas unheimlich zumal sich der Zustand nicht großartig ankündigte. Das zweite mal übte ich im Freibad im 50m Becken für meinen bevortstehenden Triathlon. Es war Juli, die Luft war heiß, das Wasser kalt. Trotz der Anstrengung beim Schwimmen wurde mir langsam kalt im Wasser aber als gute Trainee hielt ich meine Zeit ein und torkelte anschließend aus dem Wasser. Ich schaffte es bis zur Umkleide dort wurde mir schwindelig alles drehte sich. Ich zitterte und kam aus dem Frieren nicht mehr heraus, obwohl draussen die Sonne vom Himmel brannte. Es dauerte Stunden bis dieser unschöne Zustand vorbei war. Das letzte Mal war mehr oder weniger selbst produziert. Ich nahm ein Eisbad ( das Wasser hatte unter 0°) in meiner Tonne auf dem Balkon. Die Crux am Eisbaden ist, dass man die Kälte nicht spürt. Wenn man den ersten Schock überwunden hat und wieder einigermaßen ruhig atmet, ist es eigentlich ganz gemütlich darin. Dementsprechend hielt ich mich viel zu lange im Eiswasser auf. Es kam später zum sogenannten "Afterdrop"(Als "Afterdrop"oder "Nachkühlung wird in der Medizin das weitere Absinken der Körperkerntemperatur nach einer Kälteexposition durch zum Kern zurückströmendes kaltes Schalenblut bezeichnet.).D.h. erst war alles in Ordnung und nach 10 minuten kam die innere Kälte mit voller Wucht. Es zog mir die Beine weg ich zitterte und hatte halluzinative Wahrnehmung. Es war irgendwas zwischen unheimlich und "hui ...das isja spannend" und es dauerte wirklich lange bis es vorbei war. Seitdem habe ich Angst vor Kälte. Teilweise völlig übersteigert und irrational.


Seit diesen Erlebnissen möchte ich meine Kälteregulation besser kennenlernen um vorbereiteter zu sein. Auf weiteren Touren hatte ich an Tagen in denen die Temperatur unter 5° fiel immer etwas Wärmendes im Gepäck, entweder eine Edelstahltrinkflasche die ich als Wärmflasche benutzen konnte oder meine geliebten Hotties... kleine Schüttelsäckchen die durch die Reaktion von Sauerstoff und den enthaltenen Wasserpartikeln reagieren und Wärme erzeugen und nach einer etwas längeren Anlaufzeit von etwa 15 Minuten für bis zu 8 Stunden Wärme abgeben. Das ist zum Beispielt für die Hände großartig (mit kalten Händen kann man nix mehr machen, selbst den Hosenknopf öffnen um Pinkeln zu können kann u.U. schlicht unmöglich werden) oder auch für die Füsse im Schlafsack. Dafür kann man die Hotties in die Strümpfe stopfen.

Im letzten Winter hatten wir hier in Norddeutschland tatsächlich einmal -13 Grad. Diese Nacht habe ich mir ausgesucht um draussen im Zelt zu übernachten. Mit 2 Schlafsäcken, einem Zeltofen sowie meinen Freund als Backup fühlte ich mich sicher genug draussen zu bleiben. Ich fuhr alleine vor in den Wald, mein Freund kam später nach. Ich baute das Zelt auf, bereitete alles vor, sammelte Holz (was sich schwierig gestaltete ) und wartete mit dem anzünden des Ofens auf meinen Freund. Ich merkte wie mir die Kälte in die Glieder fuhr und ich immer wieder abschnittsweise mental abbaute. Ich war in keiner tatsächlichen Gefahr, ich hätte jederzeit alles stehen und liegen lassen und zur S-Bahn gehen können und trotzdem fühlente es sich streckenweise für mich bedrohlich an. Als mein Freund schließlich kam und wir den Ofen entzündeten begann der gemütliche Teil. Als alles Holz verbrannt war und ich mich auf die Wärmeleistung meiner Schlafsäcke verlassen musste kribbelte es wieder... Die Kälte. Freund und Feind und irgendwie faszinierend.


Bis jetzt habe ich keine wirkliche Strategie um das Problem zu lösen, außer mich den Widrigkeiten wiederkehrend auszusetzen. Letztendlich ist es wichtiger meine Befürchtungen und Ängste wieder etwas einzufangen und ihnen die Übermacht zu nehmen. Natürlich ist Kälte last but not least lebensbedrohlich aber davon bin ich weit entfernt. Ich werde mich also im kommenden Winter wieder gezielt aus meiner Komfortzone bewegen. Ein Back up dabei zu haben (Edelstahlflasche, Hotties, Ofen etc.) ist ein guter Anfang, um mich nicht zu überfordern. Auch meine Regentonne steht schon im Garten und will befüllt werden. Und ich freu mich schon darauf:)

Auch bei meinem kleinen Auflug hat sich gezeigt wie sich nach anfänglichem Unwohlsein das Blatt gewendet hat und ich am Ende die Nässe und das Frösteln gar nicht mehr oder kaum, wahrgenommen habe. Der Fokus hat sich vom Blick auf mich zum Blick in die Natur gedreht und Prioritäten haben sich verschoben. Das war eine gute Erfahrung und wird sicher dazu beitragen, dass ich mich das nächste mal daran erinnere wenn ich einen Ausflugs,- oder Tourenplan nach dem Blick auf die Wetterapp verwerfen will.


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